Sonntag, 31. August 2014

Den TVG kennt jeder vom Handball, aber wie ist es mit dem Dorf Großwallstadt?

Mehr als hundert Teilnehmer beteiligten sich an der theatralischen Wanderung durch die Vergangenheit Großwallstadts. Der Initiator und "Kümmerer" Kurt Spielmann (rechts) und Leo Markert  (links) vom Heimat- und Geschichtsverein agierten als Protagonisten.
Liebe Leser meines Blogs, vor einigen Tagen konntet ihr den Hinweis mit umfangreichen Erläuterungen zur theatralischen Wanderung durch die Vergangenheit Großwallstadts lesen. Nun ist das Ganze vorbei - und es gibt Stoff für eine schöne Story. Besser gesagt für eine REZENSION, denn es war ja eine kulturelle Veranstaltung, die am Samstag stattfand. Weil viele, die meine Posts lesen, nicht aus meiner Gegend kommen und deshalb nicht das Main-Echo abonniert haben, gebe ich ihnen und meinen besonders treuen Lesern die Gelegenheit, hier schon vor der Veröffentlichung im Printmedium meine Sicht der Dinge nachzuvollziehen. Vielleicht bietet das auch dem ein oder anderen an Heimatgeschichte Interessierten und Engagierten einen Impuls, ähnliches im eigenen Umfeld zu realisieren.

Ebbes Scheenes...

Wer sie erlebt hat, die Nachkriegszeit mit den ersten Schwarzweißfernsehern, der Italien-Reise im VW-Käfer und den Süßigkeiten im Glas bei Tante Emma um die Ecke, der wurde am Samstagabend bei der theatralischen Wanderung durch die Vergangenheit Großwallstadts an seine Kinder-und Jugendjahre erinnert und von einer Welle der Nostalgie erfasst.

Es wurden witzige Pointen, sehr viel Lokalkolorit und ein Blick in die Historie geboten. Es wehte aber auch ein Hauch von Wehmut, als der Schauspieler und Regisseur Kurt Spielmann und der Heimatforscher Leo Markert die rund 100 Gäste durch die Straßen und Gassen der Maintalgemeinde führten und zeigten, was war und nicht mehr ist. Der Titel der theatralischen Wanderung „Tante Emma – wo bist du???“ war zugleich die Antwort darauf, dass nicht alle Errungenschaften des technischen Fortschritts und des Überflusses ein Segen sind, Zwischenmenschliches und nachbarschaftlicher Zusammenhalt verloren gingen und der Ellbogengesellschaft mit einer nahezu unbegrenzten Mobilität Platz gemacht haben.

Eigentlich war eine Dauer von 90 Minuten vorgesehen, aber letztlich waren es gut zwei Stunden, in denen das Publikum eine zugleich interessante wie auch amüsante Zeitreise geboten bekam. Mehr als doppelt so viele Besucher als erwartet hatten sich an der Volkshalle, dem Startpunkt, eingefunden. Sie wurden von Bürgermeister Roland Eppig und Landrat Jens Marco Scherf, neben Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel Schirmherr der Veranstaltung, begrüßt. Mit schmissiger Marschmusik stimmten die Mitglieder des Musikvereins Großwallstadt auf das Bevorstehende ein, gaben an einzelnen Punkten Platzkonzerte, was die Anwohner aus ihren Häusern auf die Straße oder Balkons lockte, um an dem Geschehen teilzuhaben. Damit keine Verkehrsprobleme entstanden, waren die Mitglieder des Hilfsdienstes Großwallstadt vor Ort, um die Kelle zu heben und die Autofahrer zum Langsamfahren anzuhalten.

In seinem Element: Der Schauspieler und Regisseur Kurt Spielmann, ein echter "Wällster Bu".

Während der Wanderung war zu spüren, dass Kurt Spielmann eine starke Verbindung zu seiner Heimatgemeinde hat. Letztlich hatte er ja auch die Idee und das Konzept für die theatralische Wanderung in die Vergangenheit entwickelt. Mit Leo Markert, einem Aktivposten im örtlichen Heimat- und Geschichtsverein, hatte er einen idealen Partner gefunden. Markert kannte fast alle Namen der ehemaligen Laden-, Handwerks- und Gasthausinhaber, ihre verwandtschaftlichen Verquickungen und wusste lustige Anekdoten aus der Vergangenheit zu berichten. An den einzelnen Haltepunkten hatte er Tafeln aufgebaut und mit historischen Fotografien der Häuser und Anwesen aufgestellt, wo sich damals Handel, Handwerk und das gesellschaftliche Leben Großwallstadts konzentrierten. Die Erinnerungen der Wällster an das Gasthaus Anker mit eigener Brauerei, das Kaufhaus Scherer, die vielen Lebensmittelläden und Verkaufsstellen wurden lebendig und für Auswärtige, „Roigeplackte“ sowie jüngere Teilnehmer nachvollziehbar. Das alles in Wällster Mundart, was dem Ganzen noch einen besonderen Pfiff gab.

Es ist schon dunkel, als die letzte Etappe abgelaufen wird. Aber alle bleiben dabei, selbst Landrat Jens Marco Scherf (links) begleitet die Teilnehmer bis zum Ende der theatralischen Wanderung. 

So kann Heimatgeschichte richtig Spaß machen und zum Nachdenken anregen, dass nicht alles in der guten alten Zeit gut war, aber manches Gute verloren ging und eigentlich in die Gegenwart gerettet werden sollte. Danke, Kurt Spielmann und allen Beteiligten - und bitte weiter so!

© Text und Fotos Ruth Weitz  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen