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Donnerstag, 10. Juni 2021

Warum ich auszog, das Fürchten zu lernen


Frauenpower beim internationalen Frauentag 2019 für die MS-Selbsthilfegruppe aktiv im Kreis Miltenberg, von links Silke Kasamas, Xenia Hügel, Ruth Weitz, Maria Holzheid und vorne die Musikerinnen von PelenTan, Katharina und Annamaria Gielen.
Foto: Miriam Weitz

Kommunalpolitisch interessiert bin ich schon sehr lange. Deshalb engagiere ich mich seit 1983 im SPD-Ortsverein Obernburg, der vor 8 Jahren mit Eisenbach und Mömlingen fusionierte. Schon damals war mir klar, dass es kein Zuckerschlecken ist, sich in der Diaspora zur SPD zu bekennen. Aber ich bin sozialdemokratisch sozialisiert. Mein Großvater mütterlicherseits wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Bürgermeister eingesetzt. Er war Sozialdemokrat. Eine Entnazifizierung hatte er nicht nötig. Damals sind leider viele Menschen auf die Nazis hereingefallen und auf der Welle mit geschwommen. Leider ist auch - gerade im Osten der Republik - der Rechtspopulismus sehr stark. Die AfD hat hier Oberwasser. Hier kann eine gestandene Demokratin in der Tat das Fürchten lernen.

Die politische Laufbahn beginnt 

Im Jahr 1996 wurde ich für die SPD in den Kreistag gewählt, obwohl ich eigentlich keinen aussichtsreichen Listenplatz hatte. Hier spielte wohl auch mein Bekanntheitsgrad als rasende Reporterin eine Rolle und die Tatsache, dass ich mich bei politischen Themen klar positioniere und meine Fahne nicht nach dem Wind drehe. Bei der Kommunalwahl 2008 rückte ich für Dr. Matthias Castritius in den Obernburger Stadtrat nach, der sein Mandat kurz nach der Wahl niedergelegt hatte. Leider musste ich nach knapp 5 Jahren das Handtuch werfen, nachdem Ferdinand Kern seinen Fraktionsvorsitz und sein Mandat niedergelegt hatte. Den Fraktionsvorsitz konnte ich auf Dauer nicht wahrnehmen, zumal ich beruflich stark gefordert war. Bei der Kommunalwahl 2014 trat ich deshalb auch nicht mehr für den Stadtrat an. Ich hatte also das Fürchten gelernt und war nicht darauf erpicht, mir den Stadtratsstress erneut anzutun. Es ist nun mal so, dass ich mich einsetze, wenn ich in ein Amt gewählt werde und keine Staffage sein will. Als Kreistagsmitglied ist das etwas entspannter, weil nicht so viele Termine anfallen und der monetäre Verlust zu verschmerzen ist. Für Freiberufler gibt es einen Ausgleich für den Honorarausfall, der zwar nicht üppig ist, aber immerhin gibt es ihn. Damals wurde das für Obernburger Stadträtinnen und Stadträte abgelehnt.

Soziales Engagement

Weiterhin engagiere ich mich für viele soziale Projekte, zum Beispiel für die Selbsthilfegruppe MS aktiv mit der Leiterin Maria Holzheid, für die ich 2019 die Veranstaltung »Frauenpower x Fünf« organisiert hatte, die Pressearbeit und alles was Öffentlichkeitsarbeit betrifft, erledige. »Frauenpower x Fünf« wird auf jeden Fall wieder stattfinden, wenn die Corona-Pandemie es zulässt. 

Das Fürchtenlernen geht weiter

Im Vorfeld der Kommunalwahl 2020 kam alles anders als erhofft. Alle vier Räte der SPD-Fraktion im Obernburger Stadtrat traten nicht mehr an. Wir hatten alle Mühe, überhaupt eine Liste, geschweige denn 20 Kandidat*innen, zusammenzustellen. So machte ich mich erneut auf, das Fürchten zu lernen und ließ mich als Bürgermeisterkandidatin aufstellen. Es ging mir in erster Linie darum, der SPD in Obernburg ein Gesicht zu geben und sie nicht untergehen zu lassen. Als Bürgermeisterkandidatin hatte ich keine Chance, das war mir bei 4 deutlich jüngeren Gegenkandidat*innen glasklar. Aber immerhin erreichte ich ein sehr gutes Ergebnis als Listenführerin und erzielte knapp 30 Prozent aller SPD-Stimmen. Leider reichte das Gesamtergebnis nur für ein SPD-Stadtratsmandat aus. Die Freien Wähler fragten an, ob ich mich ihrer Fraktion anschließen würde und ich sagte zu. Nun gibt es die Fraktion FW/SPD mit sechs Mitgliedern - und wir leisten gute Arbeit, stellen nach dem Ausscheiden des Grünen Ansgar Stich mit Jessi Klug die dritte Bürgermeisterin. In den Kreistag wurde ich mit dem zweitbesten SPD-Ergebnis wiedergewählt.

Mittlerweile bin ich auch SPD-Vorsitzende im Ortsverein Obernburg-Eisenbach-Mömlingen. Hier habe ich in der Tat Kärnerarbeit zu leisten. In diesem Jahr steht die Bundestagswahl an. Trotz ernüchternder Umfragewerte derzeit habe ich die Hoffnung, dass die SPD besser abschneidet als prognostiziert. 

Während meiner fast vierzigjährigen politischen Laufbahn habe ich wirklich das Fürchten lernen können, aber mich nie unterkriegen lassen. Das werde ich auch für die Zukunft so halten. Glück auf!


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