Wer es am Samstagabend (27.10.2012) vorgezogen hatte auf die heimische Couch zu sinken, statt in die bequemen Sesselchen im Zuschauerraum der Kochsmühle, dem entging ein höchst vergnügliches Kleinkunstprogramm. Würzig und schmackhaft waren die vom Duo „Marie, das Geld liegt aus der Fensterbank“ zubereiteten „Mitternachts-Spaghetti“, die zwischen 20 und 22.30 Uhr auf der Bühne des Obernburger Musentempels serviert wurden. Es ist eine wahre Freude, Wiebke Eymess und Fridolin Müller zuzuhören und zuzuschauen. Mehrere Adjektive sind nötig, um die beiden Vollblutkomiker und das, was sie als Mitternachts-Spaghetti zusammenköcheln, zu beschreiben: Witzig, geistreich, rotzfrech und sexy, melancholisch, anrührend, hoch musikalisch und unterhaltsam. Das reicht aber bei Weitem nicht aus, einer umfassenden Schilderung gerecht zu werden.
Wenn Wiebke Eymess mit den Augen rollt, ihren roten Mund spitzt, um als vermeintlich dümmliche Blondine ihren mit seiner Allgemeinbildung brüstenden Partner auf die Palme bringen, dann scheint es so, als sei der Dialog spontan aus der aktuellen Situation entsprungen. In der Tat waren einige Aktionen in der Kochsmühle dem Augenblick geschuldet, gerade dann, wenn das Publikum eingebunden war. Hier formierte sich eine „Mäusefraktion“ in der rechten Zuschauer-Ecke, die beim Lied „Aufstand der Mäuse“ besonders kräftig mitmischte. Dort gab es Ralf, einen Zuschauer aus der ersten Reihe, der laut Wiebke Eymess dem italienischen Schauspieler aus einem amerikanischen Polizeifilm so „wahnsinnig ähnlich“ sieht. Bis aber der Name des Mimen, Al Pacino, herausgefunden war, wühlte sich das Paar auf höchst amüsante Weise durch die cineastischen Höhepunkte amerikanischer Filmkunst bis zu den Niederungen der Italo-Western mit Bud Spencer und Terence Hill.
Nahezu jedes Thema spielt in dem Programm eine Rolle, sogar das Rollenspiel. Wenn sie schmollt: „Du findest mich langweilig“ und er sagt: „Ich finde dich nicht langweilig, ich finde dich total anstrengend“ und sie dann wieder kontert: „Ich bin nicht anstrengend, ich bin komplex“, ist das der Beginn eines wunderbaren Abends. Auf der Bühne entwickelt sich eine Streitkultur, die zum Schreien komisch ist, aber irgendwie doch dem realen Leben abgeguckt. Dazu gesellen sich Lieder mit intelligenten Texten, bei denen beide Protagonisten ihre Musikalität zur vollen Blüte entfalten. Wenn Fridolin Müller in die Saiten seiner Gitarre greift, Wiebke Eymess die Ukulele zupft oder in die Tasten des Keyboards haut, dazu beide noch höchst melodisch singen, dann ist der Spaß nicht mehr zu toppen.
Warum junge Akademiker-Paare so wenig Kinder bekommen, wurde am Samstagabend ebenfalls geklärt: Es ist der Zeugungsschmerz, der sie davon abhält. Wer’s glaubt, wird selig! Wer das Programm von „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“ in der Kochsmühle gesehen hat, war zwei Stunden lang selig, weil es einfach klasse war!
Am Samstag, 15. November 2014 (20 Uhr) sind die beiden Kabarettisten mit ihrem neuen Programm wieder in der Kochsmühle.
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