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Samstag, 6. September 2014

Einfach blamagig! Kinder- und Jugendcircus Blamage feiert 25-jähriges Bestehen

Ein buntes und rundes Zirkusprogramm begeisterte die Zuschauer beim Jubiläumsfest des Cricus' Blamage am 5. September 2014.
         
So kann eine Jubiläumsfeier richtig Spaß machen: Keine langen Reden, ein tolles Programm, fetzige Musik und viele Überraschungen: Das ist einfach blamagig! Dieses Adjektiv wurde vom Vorsitzenden des Kinder- und Jugendcircus' Blamage e. V., Michael Völker, kreiert. Es bezeichnet all das, was mit dem vor 25 Jahren ins Leben gerufenen Projekt verbunden ist: Begeisterung, Spaß, Empathie, Wertschätzung, Rücksichtnahme und mehr. Das, was man heute mit "Inklusion" bezeichnet, wurde von Anfang an gelebt. Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gestalten gemeinsam ein Zirkusprogramm. Alle bringen ihre Talente ein, unterstützen sich gegenseitig und haben eine Menge Spaß dabei. Am Ende steht ein Erfolgserlebnis, das Mitwirkende und Publikum gleichermaßen beflügelt. So schön kann das Leben sein, so blamagig!

Schirmherrin Barbara Stamm schneidet die Jubiläumstorte an, Circus-Blamage-Vorsitzender Michael Völker assistiert.

Als Schirmherrin des Jubiläumsfestes fungierte die bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm, gleichzeitig auch Landesvorsitzende der Lebenshilfe in Bayern. Sie unterschrieb am Freitagabend spontan einen Mitgliedsantrag und verhehlte ihre Begeisterung für den Circus Blamage nicht. "Wenn es ihn nicht schon gäbe, müsste man ihn erfinden", sagte sie bei der Jubiläumsfeier und schnitt eine riesige Torte in Form eines Zirkuszeltes an, die ein ehemaliges Circus-Blamage-Kind, das heute Konditorin ist, gebacken und verziert hatte. Nach kurzen und spritzigen Reden wurde die Torte ins Partyzelt getragen und alle durften im Anschluss an die Zirkusvorstellung davon naschen.

Clown Lui (Mitte), seit Bestehen des Circus Blamage künstlerischer Leiter, wird vom Vereinsvorsitzenden Michael Völker geehrt.
Eine Ehrung gab es auch: Der künstlerische Leiter, Clown Lui -  Lui Böhler - wurde von Michael Völker dafür ausgezeichnet, dass er von Anfang an bei nahezu allen Zirkuscamps (immerhin 5 jährlich!) dabei war und gemeinsam mit den ehrenamtlichen Trainern und den Kindern tolle Programme auf die Beine gestellt hat. Im Anschluss an den offiziellen Festakt durfte sich das Publikum in einem knallvollen Zirkuszelt von der Qualität der Vorführungen überzeugen und quittierte es mit stehenden Ovationen.

Nachfolgend mein Interview, das ich mit den beiden Vorsitzenden, Michael Völker und Michael Kabey, im Vorfeld des Jubiläumsfestes geführt habe. Eine Zusammenfassung über das Jubiläumsfest und die anschließendes Zirkusvorstellung ist hier http://pagewizz.com/circus-blamage-ein-beispielhaftes-projekt-zur-inklusion-31680/ veröffentlicht.

Eine Begeisterung, die zur Epidemie wurde

Der Vize und der Vorsitzende des Kinder- und Jugendcircus' Blamage: Michael Kabey und Michael (Atze) Völker.

Den Kinder- und Jugendcircus Blamage gibt es nunmehr seit 25 Jahren. Männer der ersten Stunde waren Michael Völker und Michael Kabey, die den knapp drei Jahre später gegründeten Verein auch von Beginn an führen. 

Woher kam die Inspiration den Circus Blamage vor 25 Jahren ins Leben zu rufen?
Michael Völker: Ein ehemaliger Praktikant im Jugendhaus St. Kilian in Miltenberg hatte Kontakt zu einem Kinderzirkus in  Spanien. Im Rahmen seiner Ausbildung musste er eine Wochenfreizeit für Jugendliche organisieren und hat daraus eine Zirkusfreizeit gemacht, an der wir teilnahmen. So wurde 1989 der Circus Blamage geboren.
Michael Kabey: Es war so begeisternd, dass wir beschlossen, diese Zirkusfreizeit weiter zu führen, die zunächst bei der Regionalstelle für kirchliche Jugendarbeit beim Kilianeum in Miltenberg angesiedelt war. Die beteiligten Kinder und Jugendlichen haben schon bei der Freizeit 1989 den Namen „Circus Blamage“ kreiert.



Sie haben schon vor 25 Jahren Kinder mit Behinderung in das Zirkuskonzept einbezogen. Waren Sie der Zeit und dem heute viel diskutierten Begriff „Inklusion“ weit voraus?
Michael Völker: Damals sprach noch kein Mensch von Integration oder Inklusion. Wir haben das in die Praxis umgesetzt, und von Anfang an zeigte sich, wie unproblematisch es ist, wenn nichtbehinderte mit behinderten Kindern zusammen sind und gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Wir sind auch ganz stolz darauf, dass ein Jugendlicher mit Down-Syndrom, der als Zirkuskind bei uns war, seit drei Jahren im Trainer-Team dabei ist.
Michael Kabey: Wir kommen beide aus der Behindertenarbeit, deshalb war es uns sehr wichtig, Kinder und Jugendliche an der Zirkusfreizeit teilhaben zu lassen. Realisieren konnten wir das, nachdem der Circus Blamage ein Jahr bestand. Im letzten Camp hatten wir auch ein Rollstuhlkind mit dabei. Jetzt sind es schon zwei Rollstuhlfahrer, und es ist völlig unkompliziert, weil die anderen Kinder helfen und unterstützen, ohne dass sie dazu aufgefordert werden müssen.

Wo lagen zu Beginn der Vereinsgründung die größten Schwierigkeiten?
Michael Völker: Am schwierigsten war, die finanzielle Basis für den Verein zu sichern, öffentliche Zuschüsse zu erhalten und die Organisationsstruktur zu festigen.
Michael Kabey: Schon allein die Formalitäten, die mit der Vereinsgründung verbunden waren, waren langwierig und kompliziert.

Von wem erhielten Sie die größte Unterstützung?
Michael Völker: Anerkennung erhielten wir eigentlich von überall. Über mangelnde Resonanz konnten wir uns von Anfang an nicht beklagen. Die Nachfrage ist hoch, so dass wir jährlich sieben Camps anbieten. Wir mussten sogar schon einmal einen Aufnahmestopp für neue Mitglieder veranlassen, um zumindest die Kindern unserer Vereinsmitglieder in die Feriencamps aufnehmen zu können. Wir haben einen Namen in Bayern.
Michael Kabey: Barbara Stamm, die Landesvorsitzende der Lebenshilfe, hat auch nicht gezögert, die Schirmherrschaft für unser Jubiläum zu übernehmen. Ich habe im Herbst vergangenen Jahres angefragt, und im Januar hat ihr Büro mir mitgeteilt, dass Frau Stamm auch die Ansprache beim Festakt hält.

Die ehrenamtliche Arbeit ist vielfältig und zeitraubend. Wie schaffen Sie das?
Michael Völker: Weil die Arbeit auf vielen Schultern verteilt ist und alle sich mit viel Leidenschaft und großem Engagement einbringen. Im Zirkusteam mitzuarbeiten und mitzumachen ist einfach „blamagig“ – eine Wortschöpfung, die viele Adjektive wie toll, begeisternd, beflügelnd und so weiter in sich vereint. Man kann sich auch mal zurücklehnen, weil man weiß, dass die Verantwortung in guten Händen ist.
Michael Kabey: Viele ehemalige Zirkuskinder arbeiten heute im engeren Vorstand oder als Beisitzer mit. Die Kassiererin beispielsweise hat schon im Alter von 9 Jahren als Zirkuskind mitgemacht. Nach ihrem Betriebswirtschaftsstudium hat sie sich spontan bereit erklärt, die Buchführung zu übernehmen.

Wo liegt Ihrer Meinung nach der Erfolg des Konzepts?
Michael Völker: Wir haben ein völlig unkompliziertes Verwaltungswesen, und alle Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen. Jedes Camp endet mit einer Vorstellung, wo das Eingeübte präsentiert wird. Alle gehen mit einem Hochgefühl nachhause.
Michael Kabey: Und die Kinder und Jugendlichen tragen ihre Begeisterung in ihre Familien, an Freunde und Verwandte weiter.

Was wollen Sie in den nächsten Jahren noch umsetzten und was wünschen Sie sich für die Zukunft des Circus Blamage?
Michael Völker: Ich wünsche mir sowohl Kontinuität als auch eine Weiterentwicklung unseres Circus Blamage. Die Weiterentwicklung zeigt sich darin, dass wir uns zum Jubiläum selbst einen behindertengerechten Sanitärwagen geschenkt haben. Das ist wichtig und nötig, um auch Kindern und Jugendlichen im Rollstuhl eine Zirkusfreizeit zu ermöglichen.
Michael Kabey: Ich bin jetzt 65 Jahre alt und werde den Vize-Vorsitz abgeben. Mir ist dabei überhaupt nicht bange. Erstens gibt es ganz viele fähige und engagierte junge Leute zweitens werde ich auch weiterhin zur Verfügung stehen, wenn ich gebraucht werde. Insgesamt wünsche ich mir, dass es immer Menschen gibt, die sich vom Circus Blamage begeistern lassen und sich selbst einbringen.

Was noch hinter dem Circus Blamage steckt


Die Idee zum „Kinder- und Jugendcircus Blamage“ entstand 1989 während einer Jugendfreizeit auf der Insel Pellworm, zunächst als Angebot der Regionalstelle für kirchliche Jugendarbeit der Diözese Würzburg. Gegründet wurde der als gemeinnützig anerkannte Verein „Circus Blamage e.V.“ am 6. April 1993. Er hat sich zur Aufgabe gestellt, die motorischen, kreativen, künstlerischen und sozialen Fähigkeiten von Kindern, Jugendlichen und Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern. Mitmachen können Kinder ab neun Jahren. Die Zirkusfreizeiten finden überwiegend in den Pfingst- und Sommerferien statt. Jonglage, Drahtseil, Trapez, Trampolin, Clownerie und mehr sind im Angebot, woraus sich die Kinder und Jugendlichen zwei Sparten aussuchen dürfen und während des Zirkuscamps täglich zweimal zwei Stunden üben. Am Ende der Ferienwoche wird dann das Gelernte in einem Zirkusprogramm gezeigt. Im Circus Blamage haben Menschen mit Behinderung die Möglichkeit mit Nichtbehinderten im Team zu arbeiten. Dort steht nicht ihre Behinderung im Vordergrund, sondern die besonderen Fähigkeit, mit denen die Kinder- und Jugendlichen mit Behinderung Nicht-Behinderte oft übertreffen.
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