Ein buntes und rundes Zirkusprogramm begeisterte die Zuschauer beim Jubiläumsfest des Cricus' Blamage am 5. September 2014. |
So kann eine Jubiläumsfeier richtig Spaß machen: Keine langen Reden, ein tolles Programm, fetzige Musik und viele Überraschungen: Das ist einfach blamagig! Dieses Adjektiv wurde vom Vorsitzenden des Kinder- und Jugendcircus' Blamage e. V., Michael Völker, kreiert. Es bezeichnet all das, was mit dem vor 25 Jahren ins Leben gerufenen Projekt verbunden ist: Begeisterung, Spaß, Empathie, Wertschätzung, Rücksichtnahme und mehr. Das, was man heute mit "Inklusion" bezeichnet, wurde von Anfang an gelebt. Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gestalten gemeinsam ein Zirkusprogramm. Alle bringen ihre Talente ein, unterstützen sich gegenseitig und haben eine Menge Spaß dabei. Am Ende steht ein Erfolgserlebnis, das Mitwirkende und Publikum gleichermaßen beflügelt. So schön kann das Leben sein, so blamagig!
Schirmherrin Barbara Stamm schneidet die Jubiläumstorte an, Circus-Blamage-Vorsitzender Michael Völker assistiert. |
Als Schirmherrin des Jubiläumsfestes fungierte die bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm, gleichzeitig auch Landesvorsitzende der Lebenshilfe in Bayern. Sie unterschrieb am Freitagabend spontan einen Mitgliedsantrag und verhehlte ihre Begeisterung für den Circus Blamage nicht. "Wenn es ihn nicht schon gäbe, müsste man ihn erfinden", sagte sie bei der Jubiläumsfeier und schnitt eine riesige Torte in Form eines Zirkuszeltes an, die ein ehemaliges Circus-Blamage-Kind, das heute Konditorin ist, gebacken und verziert hatte. Nach kurzen und spritzigen Reden wurde die Torte ins Partyzelt getragen und alle durften im Anschluss an die Zirkusvorstellung davon naschen.
Clown Lui (Mitte), seit Bestehen des Circus Blamage künstlerischer Leiter, wird vom Vereinsvorsitzenden Michael Völker geehrt. |
Nachfolgend mein Interview, das ich mit den beiden Vorsitzenden, Michael Völker und Michael Kabey, im Vorfeld des Jubiläumsfestes geführt habe. Eine Zusammenfassung über das Jubiläumsfest und die anschließendes Zirkusvorstellung ist hier http://pagewizz.com/circus-blamage-ein-beispielhaftes-projekt-zur-inklusion-31680/ veröffentlicht.
Eine Begeisterung, die zur Epidemie wurde
Der Vize und der Vorsitzende des Kinder- und Jugendcircus' Blamage: Michael Kabey und Michael (Atze) Völker. |
Den Kinder- und Jugendcircus
Blamage gibt es nunmehr seit 25 Jahren. Männer der ersten Stunde waren Michael
Völker und Michael Kabey, die den knapp drei Jahre später gegründeten Verein
auch von Beginn an führen.
Woher kam die Inspiration den Circus Blamage vor 25 Jahren ins Leben zu
rufen?
Michael Völker: Ein ehemaliger Praktikant im Jugendhaus St. Kilian
in Miltenberg hatte Kontakt zu einem Kinderzirkus in Spanien. Im Rahmen seiner Ausbildung musste
er eine Wochenfreizeit für Jugendliche organisieren und hat daraus eine
Zirkusfreizeit gemacht, an der wir teilnahmen. So wurde 1989 der Circus Blamage
geboren.
Michael Kabey: Es war so begeisternd, dass wir beschlossen, diese
Zirkusfreizeit weiter zu führen, die zunächst bei der Regionalstelle für
kirchliche Jugendarbeit beim Kilianeum in Miltenberg angesiedelt war. Die
beteiligten Kinder und Jugendlichen haben schon bei der Freizeit 1989 den Namen
„Circus Blamage“ kreiert.
Sie haben schon vor 25 Jahren Kinder mit Behinderung in das
Zirkuskonzept einbezogen. Waren Sie der Zeit und dem heute viel diskutierten
Begriff „Inklusion“ weit voraus?
Michael Völker: Damals sprach noch kein Mensch von Integration oder
Inklusion. Wir haben das in die Praxis umgesetzt, und von Anfang an zeigte
sich, wie unproblematisch es ist, wenn nichtbehinderte mit behinderten Kindern
zusammen sind und gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Wir sind auch ganz
stolz darauf, dass ein Jugendlicher mit Down-Syndrom, der als Zirkuskind bei
uns war, seit drei Jahren im Trainer-Team dabei ist.
Michael Kabey: Wir kommen beide aus der Behindertenarbeit, deshalb
war es uns sehr wichtig, Kinder und Jugendliche an der Zirkusfreizeit teilhaben
zu lassen. Realisieren konnten wir das, nachdem der Circus Blamage ein Jahr
bestand. Im letzten Camp hatten wir auch ein Rollstuhlkind mit dabei. Jetzt
sind es schon zwei Rollstuhlfahrer, und es ist völlig unkompliziert, weil die
anderen Kinder helfen und unterstützen, ohne dass sie dazu aufgefordert werden müssen.
Wo lagen zu Beginn der Vereinsgründung die größten Schwierigkeiten?
Michael Völker: Am schwierigsten war, die finanzielle Basis für den
Verein zu sichern, öffentliche Zuschüsse zu erhalten und die
Organisationsstruktur zu festigen.
Michael Kabey: Schon allein die Formalitäten, die mit der
Vereinsgründung verbunden waren, waren langwierig und kompliziert.
Von wem erhielten Sie die größte Unterstützung?
Michael Völker: Anerkennung erhielten wir eigentlich von überall. Über
mangelnde Resonanz konnten wir uns von Anfang an nicht beklagen. Die Nachfrage
ist hoch, so dass wir jährlich sieben Camps anbieten. Wir mussten sogar schon
einmal einen Aufnahmestopp für neue Mitglieder veranlassen, um zumindest die
Kindern unserer Vereinsmitglieder in die Feriencamps aufnehmen zu können. Wir
haben einen Namen in Bayern.
Michael Kabey: Barbara Stamm, die Landesvorsitzende der Lebenshilfe,
hat auch nicht gezögert, die Schirmherrschaft für unser Jubiläum zu übernehmen.
Ich habe im Herbst vergangenen Jahres angefragt, und im Januar hat ihr Büro mir
mitgeteilt, dass Frau Stamm auch die Ansprache beim Festakt hält.
Die ehrenamtliche Arbeit ist vielfältig und zeitraubend. Wie schaffen
Sie das?
Michael Völker: Weil die Arbeit auf vielen Schultern verteilt ist
und alle sich mit viel Leidenschaft und großem Engagement einbringen. Im
Zirkusteam mitzuarbeiten und mitzumachen ist einfach „blamagig“ – eine
Wortschöpfung, die viele Adjektive wie toll, begeisternd, beflügelnd und so
weiter in sich vereint. Man kann sich auch mal zurücklehnen, weil man weiß,
dass die Verantwortung in guten Händen ist.
Michael Kabey: Viele ehemalige Zirkuskinder arbeiten heute im engeren
Vorstand oder als Beisitzer mit. Die Kassiererin beispielsweise hat schon im
Alter von 9 Jahren als Zirkuskind mitgemacht. Nach ihrem
Betriebswirtschaftsstudium hat sie sich spontan bereit erklärt, die Buchführung
zu übernehmen.
Wo liegt Ihrer Meinung nach der Erfolg des Konzepts?
Michael Völker: Wir haben ein völlig unkompliziertes
Verwaltungswesen, und alle Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen.
Jedes Camp endet mit einer Vorstellung, wo das Eingeübte präsentiert wird. Alle
gehen mit einem Hochgefühl nachhause.
Michael Kabey: Und die Kinder und Jugendlichen tragen ihre
Begeisterung in ihre Familien, an Freunde und Verwandte weiter.
Was wollen Sie in den nächsten Jahren noch umsetzten und was wünschen
Sie sich für die Zukunft des Circus Blamage?
Michael Völker: Ich wünsche mir sowohl Kontinuität als auch eine
Weiterentwicklung unseres Circus Blamage. Die Weiterentwicklung zeigt sich
darin, dass wir uns zum Jubiläum selbst einen behindertengerechten Sanitärwagen
geschenkt haben. Das ist wichtig und nötig, um auch Kindern und Jugendlichen im
Rollstuhl eine Zirkusfreizeit zu ermöglichen.
Michael Kabey: Ich bin jetzt 65 Jahre alt und werde den
Vize-Vorsitz abgeben. Mir ist dabei überhaupt nicht bange. Erstens gibt es ganz
viele fähige und engagierte junge Leute zweitens werde ich auch weiterhin zur
Verfügung stehen, wenn ich gebraucht werde. Insgesamt wünsche ich mir, dass es immer
Menschen gibt, die sich vom Circus Blamage begeistern lassen und sich selbst einbringen.
Was noch hinter dem Circus Blamage steckt
Die Idee zum „Kinder- und
Jugendcircus Blamage“ entstand 1989 während einer Jugendfreizeit auf der Insel
Pellworm, zunächst als Angebot der Regionalstelle für kirchliche Jugendarbeit
der Diözese Würzburg. Gegründet wurde der als gemeinnützig anerkannte Verein
„Circus Blamage e.V.“ am 6. April 1993. Er hat sich zur Aufgabe gestellt, die
motorischen, kreativen, künstlerischen und sozialen Fähigkeiten von Kindern,
Jugendlichen und Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern. Mitmachen können
Kinder ab neun Jahren. Die Zirkusfreizeiten finden überwiegend in den Pfingst- und
Sommerferien statt. Jonglage, Drahtseil, Trapez, Trampolin, Clownerie und mehr
sind im Angebot, woraus sich die Kinder und Jugendlichen zwei Sparten aussuchen
dürfen und während des Zirkuscamps täglich zweimal zwei Stunden üben. Am Ende
der Ferienwoche wird dann das Gelernte in einem Zirkusprogramm gezeigt. Im
Circus Blamage haben Menschen mit Behinderung die Möglichkeit mit
Nichtbehinderten im Team zu arbeiten. Dort steht nicht ihre Behinderung im
Vordergrund, sondern die besonderen Fähigkeit, mit denen die Kinder- und
Jugendlichen mit Behinderung Nicht-Behinderte oft übertreffen.
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