Freitag, 15. November 2013

"Mein blaues Cello" - ein berührender Film

Virtuos und spektakulär präsentiert sich Frank Wolff mit seinem Cello.

Allen, die das Main-Echo nicht abonniert haben und die Veranstaltung auch nicht erleben konnten, möchte ich hier in meinem Blog die Gelegenheit geben, einen Einblick in einen wunderbaren Film und eine interessante Veranstaltung zu erhalten:
Trotz schmalem Budget einen berührenden und künstlerisch anspruchsvollen Film zu drehen, ist eine Herausforderung. Dem Filmemacher Wolfgang Würker ist es geglückt, mit geringen Mitteln ein cineastisches Kleinod zu schaffen.  Mit seinem Porträt  über den Cellisten Frank Wolff erzählt er in beeindruckenden Bildern eine faszinierende Geschichte. Das mit dem hessischen Filmpreis ausgezeichnete Werk „Mein blaues Cello“ wurde am 13. November im Kino Passage im Rahmen der Erlenbacher Kinogespräche gezeigt. Zuvor hatten die rund 60 Zuschauer Gelegenheit, sich bei einer von Frank Wolff dargebotenen Cello-Fantasie auf den Film einzustimmen und im Nachgang mit ihm und Wolfgang Würker zu diskutieren.

„Eine Hommage ans Menschsein“ hatte ein Rezensent nach der Filmpremiere getitelt und dabei den Nagel auf den Kopf getroffen. In 60 Minuten  wurde den Kinobesuchern ein Mensch vorgestellt, der seine musikalische Begabung auf ganz individuelle Weise lebt, ohne ein eigenbrötlerisches Dasein zu führen. Als kämpferischer Geist der 68er-Generation, zeitweiliger SDS-Bundesvorsitzender, Adorno-Schüler, Mitbegründer des Frankfurter Kurorchesters und des Neuen Frankfurter Schulorchesters hat Frank Wolff sowohl Musik- als auch Zeitgeschichte geschrieben. In der nordhessischen Provinz geboren und aufgewachsen hatte er schon als Kind eine starke Affinität zur Mainmetropole Frankfurt entwickelt, wohin es ihn nach seinem Musikstudium in Freiburg zog und er Soziologie bei Theodor W. Adorno studierte.

Das ist nur eine Facette aus dem Leben des Musikers und politischen Kämpfers, die in dem Film gestreift wird, mit Filmdokumenten, Interviews und Bildern der Fotografin Barbara Klemm unterlegt. Der Zuschauer erfährt viel über Frank Wolffs Entwicklung als Mensch und Künstler, über die Menschen um ihn herum, um seine Balance zwischen E- und U-Musik und um seine Liebe zur Stadt Frankfurt mit ihren scharfen Kontrasten.  Neben seinen musikalischen Fähigkeiten, seiner Experimentierfreudigkeit und künstlerischen Vielfalt zeigt der Regisseur  Frank Wolffs Verletzlichkeit, seine Trauer um seine Bühnen- und Lebenspartnerin Anne Bärenz, die er acht Jahre nach ihrem Tod noch immer in sich trägt.

Erst die Kombination von Konzert, Film und Publikumsgespräch machte den Kinoabend rund und hinterließ einen nachhaltigen Eindruck. Die Besucher erlebten Frank Wolff als Cellisten voller Leidenschaft, der sein Instrument behandelt wie eine Geliebte und ihm in den waghalsigsten Körperhaltungen die spektakulärsten Klangfarben entlockt, zwischen Blues, Walzer und Bach tänzelt und daneben noch Texte von John Cage rezitiert. Eine gelungene Überleitung zum Film, der die vielfältigen Talente des Frankfurter Künstlers detailliert beschreibt.

„Der Film ist jetzt vier Jahre alt, heute bin ich schon wieder anders“, bekannte Frank Wolff, als er gefragt wurde, ob er sich in der Dokumentation gut porträtiert fühlt. Wolfgang Würker, der den Film aus vorhandenem und neu gedrehtem Material zu einem Ganzen zusammengefügte, hatte das Konzept bereits vor Augen, bevor er die erste Szene drehte. Wie er am Mittwochabend sagte, war auch der Song „Time“ von Tom Waits von Anfang an als Hintergrundmusik eingeplant, die einerseits die beeindruckende Zeitreise begleitet und anderseits berührt. Gerade dann, wenn zum Ende des Films die Stimme von Anne Bärenz eingeblendet wird.

 
Zwei, die sich gefunden haben: Der Cellist Frank Wolff und der Regisseur Wolfgang Würker.

Zur Person Frank Wolff

Frank Wolff  wurde am 28. August 1945 im nordhessischen Battenberg geboren. Neben dem Besuch des Gymnasiums studierte er Cello in Freiburg und ging 1966 nach Frankfurt, um an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität bei Theodor W. Adorno ein Studium der Soziologie zu beginnen. Zusammen mit seinem älteren Bruder Karl Dietrich engagierte er sich in der Studentenbewegung. Beide waren zwischen 1967 und 1968 Bundesvorsitzende des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS. Nach dem Ende der 68er-Bewegung widmete sich Frank Wolff wieder dem Cello-Studium und gründete 1981 zusammen mit Carl Hegmann und Anne Bärenz - seiner 2005 verstorbenen Lebensgefährtin - das Frankfurter Kurorchester, rief 2002 das Neue Frankfurter Schulorchester ins Leben, wo unter anderem Texte von Robert Gernhardt musikalisch verpackt werden.  Frank Wolff lebt in Frankfurt am Main und bewegt sich musikalisch zwischen den unterschiedlichsten Musik-Genres, die von der Klassik bis zur Rockmusik reichen. Im Jahr 2007 wurde er mit der Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main ausgezeichnet.
Fotos: © Ruth Weitz

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