Welche Gedanken schießen Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an den 30.
April denken?
Spontan fällt mir dazu ein: Der Mai beginnt und mit ihm die
Freibadesaison. Ich schwimme nämlich leidenschaftlich gerne in unserem schönen
Bergschwimmbad. Das ist für mich, nach der Stadtbibliothek, die wichtigste
Erlenbacher Einrichtung. Aber Ihre Frage zielt natürlich auf die Bibliothek,
deren Leitung ich nun nach über drei Jahrzehnten abgebe. Es ist schon ein wenig
Wehmut bei den Gedanken an den 30. April. Die Stadtbibliothek war und ist mir
wichtig. Die Arbeit als Bibliothekar war für mich immer mehr als ein Job. Das
gilt wohl für die meisten in der Buchbranche Tätigen, egal ob Buchhändler,
Autor, Verlagslektor, Bibliothekar usw. Das sind Berufe für „Büchermenschen“.
Wer viel Geld verdienen will, sucht sich einen anderen Beruf.
Andere „Berufe“ neben der Tätigkeit als Bibliothekar habe
ich ja schon lange. Ich bin auch Hausmann, Sekretär und Lektor und bemühe mich
seit vielen Jahren, meine Frau, die Kinder- und Jugendbuchautorin Marliese
Arold, bei Ihrer schriftstellerischen Arbeit zu unterstützen, damit sie die
nötige Zeit hat, ihre tausend kreativen Ideen zu wundervollen Geschichten zu
formen. Über 200 Bücher sind so schon entstanden. Ihre Krankheit beeinträchtigt
sie leider zunehmend. Mir bleibt daher nicht mehr die nötige Zeit und Energie
für die Leitung der Stadtbibliothek.
Was waren Ihre schönsten Erlebnisse als Leiter der Erlenbacher
Stadtbibliothek?
In über 33 Jahren kommen schon einige schöne Erlebnisse
zusammen. Das müssen gar keine spektakulären Events sein. Oft ist es ein
interessantes Gespräch mit einem Bibliotheksbenutzer. Natürlich ist es auch ein
tolles Gefühl, wenn eine Veranstaltung, die man organisiert hat, beim Publikum
ankommt. Ich denke gerne an die Autorenlesung mit Christine Brückner Anfang der
80er Jahre zurück. Eine sympathische Frau, ohne die Allüren so mancher
Bestseller-Autorin. Auch der von Dieter Schaller und Joachim Hammer gestaltete
musikalisch-literarische Abend zum 30-jährigen Jubiläum der Stadtbibliothek war
beeindruckend.
Ein absolutes Highlight in meiner beruflichen Laufbahn war
natürlich die Neueröffnung der Stadtbibliothek in den Räumen am Bahnhofsplatz.
Nach acht Jahren Unterbringung in einem Provisorium, vielen Umplanungen und
Hindernissen war es 1996 endlich geschafft, und die Stadtbibliothek konnte ihr
vielseitiges Medienangebot in neuen Räumen ansprechend präsentieren.
Was waren die größten Veränderungen im Verlauf Ihrer Tätigkeit?
Die acht Jahre der provisorischen Unterbringung in der
Kleiderfabrik am Brückensteg haben wir nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Dort erfolgte die größte Umstellung in der Geschichte Stadtbibliothek: Die
Karteikarten wurden von einer modernen EDV-Anlage abgelöst. Damals konnten wir
leider noch nicht einfach passende Datensätze für unseren Medienbestand
übernehmen. Wir mussten die bibliographischen Angaben zu jedem Buch in den
Computer tippen. Nach anderthalb Jahren war es endlich geschafft, und „Kollege
Computer“ half uns beim Ausleihbetrieb und bei der Verwaltung der Medien. In
dieser Zeit besuchte uns Dr. Kaußler, ein Deutschlehrer mit Leib und Seele und
absolut kein Technikfreak. Mit Blick auf die neue EDV-Anlage und die
ausrangierten Karteikästen daneben meinte er: „Für solche stumpfsinnigen
Sortierarbeiten sind die Computer genau richtig.“ Strichlisten führen,
Karteikarten alphabetisch Sortieren ... all das wurde überflüssig. Das kann ein
Computer schneller und besser. Die EDV ist aus einer modernen Bibliothek nicht
mehr wegzudenken. Trotzdem muss jeder Bibliotheksmitarbeiter immer noch eines
beherrschen - das Alphabet vorwärts und rückwärts, denn bis jetzt gibt es
keinen Computer, der die Bücher wieder richtig in die Regale zurückstellt.
Wird das E-Book langfristig das gedruckte Buch ablösen und Bibliotheken
überflüssig machen?
Das Buch generell wurde in der Vergangenheit schon oft
totgesagt. Ich erinnere mich noch gut an einen Besucher der Stadtbibliothek im
Sommer 1996. Wir waren eine der ersten kleineren Bibliotheken, die für unsere
Benutzer einen Computer mit Internetzugang angeboten haben. Der Besucher
bewunderte das Gerät und sagte mir: „Das ist die Zukunft. In fünf Jahren gibt
es keine Bücher mehr.“ Als weitere Konsequenz meinte er, dass die Stadt
Erlenbach sich das Geld für die Stadtbibliothek sparen sollte. Zum Glück gibt
es immer noch Bücher und die Stadtbibliothek. Aber immerhin hat man es endlich
geschafft, für ein Medium, für das bisher kein „Abspielgerät“ nötig war (außer
vielleicht einer Lesebrille), Hard- und Software zu erfinden.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gedruckte Buch
verschwinden wird. Die Generationen, die damit groß geworden sind, werden es
immer dem E-Book vorziehen. Zum wahren Lesegenuss gehört zuallererst eine gut
geschriebene Geschichte, gleich danach aber ein schön gestaltetes Buch. Der
sterile E-Book-Reader kann damit nicht konkurrieren. Nur Technik-Freaks können
sich dafür begeistern.
Man muss allerdings zugeben, dass das E-Book durchaus
Vorteile hat. Vor allem Menschen, die gerne lesen und oft auf Reisen sind,
werden das leichte Lesegerät, auf dem sich hunderte Bücher speichern lassen,
schätzen. Faszinierend ist auch, dass man fast jedes Buch, für das man sich
interessiert, via Internet in der nächsten Sekunde auf seinem E-Book-Reader
lesen kann.
E-Books werden auf dem Buchmarkt in Zukunft sicher einen
größeren Anteil haben als heute noch, aber sie werden das gedruckte Buch nicht
völlig ersetzten. Auch die Bibliotheken mit ihren großen Beständen an
Papierbüchern werden nicht überflüssig. Viele Texte gibt es gar nicht als
E-Book, und wie schon gesagt, die meisten Leser lesen lieber ganz
konventionell.
Was E-Books betrifft, haben die Bibliotheken längst
reagiert. Die Stadtbibliothek beispielsweise hat sich mit 24 anderen
fränkischen Bibliotheken zusammengetan und bietet im Internet unter www.e-medien-franken.de eine
virtuelle Zweigstelle an. Die Benutzer jeder der angeschlossenen Bibliotheken
können sich dort E-Books und andere elektronische Medien herunterladen. Das
vielseitige Angebot an konventionellen und digitalen Medien sorgt dafür, dass
Bibliotheken auch in Zukunft attraktiv bleiben.
Was geben Sie Ihrer Nachfolgerin Christine Fröhlich mit auf den Weg?
Frau Fröhlich kann und muss ich nichts mit auf den Weg
geben. Sie war viele Jahre stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek
Offenbach und bringt eine Menge Berufserfahrung mit. Sie lebt in Aschaffenburg
und kennt die Mentalität und Leserwünsche der Menschen am Untermain. In den
wenigen Wochen unserer Zusammenarbeit habe ich sie als kompetente Kollegin kennengelernt.
Sie ist nicht nur ein „Büchermensch“ durch und durch und schreibt beispielsweise
Rezensionen für den bibliothekarischen Lektoratsdienst, sie arbeitet auch im
Bereich der Museumspädagogik und engagiert sich ehrenamtlich. Kurz und gut, sie
ist eine vielseitige, kreativ denkende und pragmatisch handelnde Frau. Ich
hätte mir keine bessere Nachfolgerin wünschen können.
Kinder an das Lesen heranzuführen und ihr Interesse für Bücher zu wecken, war Ernst Arold in seiner 33-jährigen Tätigkeit als Leiter der Stadtbibliothek Erlenbach immer sehr wichtig. Foto: privat |
Zur Person Ernst
Arold
Ernst Arold wurde am 22. September1956 in Erlenbach am Main geboren. Nach dem Abitur 1976 studierte er Bibliothekswesens in Stuttgart. Sein Diplom erhielt er im Juli 1980 und übernahm ab ab 1. August 1980 die Leitung der Stadtbibliothek Erlenbach. Er ist verheiratet mit der Kinder- und Jugendbuchautorin Marliese Arold. Das Paar hat zwei Kinder (Tochter Christiane, 30 Jahre, Sohn Benjamin 28 Jahre). Seine besonderen Interessen neben Büchern sind Schwimmen, Radfahren, und Musikhören.
Ernst Arold wurde am 22. September1956 in Erlenbach am Main geboren. Nach dem Abitur 1976 studierte er Bibliothekswesens in Stuttgart. Sein Diplom erhielt er im Juli 1980 und übernahm ab ab 1. August 1980 die Leitung der Stadtbibliothek Erlenbach. Er ist verheiratet mit der Kinder- und Jugendbuchautorin Marliese Arold. Das Paar hat zwei Kinder (Tochter Christiane, 30 Jahre, Sohn Benjamin 28 Jahre). Seine besonderen Interessen neben Büchern sind Schwimmen, Radfahren, und Musikhören.
ruw
Nach 33 Jahren Leitungstätigkeit verlässt Diplombibliothekar Ernst Arold (links) die Stadtbibliothek in Erlenbach und wird von Bürgermeister Michael Berninger verabschiedet.
Foto: Ruth Weitz
|
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen