Der 65-jährige BRK-Präsident Theo Zellner im Interview. Foto: Ruth Weitz |
Welche Möglichkeiten sehen Sie, um mehr Menschen für das Ehrenamt zu begeistern?
Ich kann die Menschen da mitnehmen, wo sie in einem überschaubaren Rahmen für andere etwas tun können. Ich muss als kommunal Verantwortlicher, als Verband und als Rotes Kreuz eine Plattform schaffen, wo Menschen Rat und Hilfe brauchen und andere bereit sind, dies nach ihren Möglichkeiten zu übernehmen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Leute sagen: Ich bin jetzt pensioniert, ich bin gesund und möchte mich irgendwo einbringen. Oder es gibt junge Leute, die eine bestimmte Zielrichtung haben, sich eventuell beruflich orientieren wollen. Ich müsste sozusagen ein Ehrenamt auf Zeit organisieren.
Wie bewerten Sie die Ehrenamtscard, die ja jetzt auch im Landkreis Miltenberg eingeführt werden soll?
Diese Ehrenamtscard ist ja in meinem Landkreis, als ich noch Landrat in Cham war, für ganz Bayern entwickelt worden. Es geht nicht in erster Linie darum, eine Vergünstigung beim Eintritt in einen Tierpark zu haben – um einmal ein Beispiel zu nennen. Es geht schlicht und einfach um die Anerkennung in der Gesellschaft. Es wird bei uns viel zu viel als selbstverständlich hingenommen. Unsere Gesellschaft in all ihren Ausformungen würde ohne die Ehrenamtlichen gar nicht funktionieren. Man muss sich einmal vorstellen, wenn Leistungen, die zum Beispiel vom Roten Kreuz von Ehrenamtlichen erbracht werden, bezahlt werden müssten.
Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf bei der Asylpolitik?
Wir müssen möglichst schnell in jedem Regierungsbezirk Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen. Das ist ja auch von der bayerischen Staatsregierung vorgesehen, aber es muss ganz schnell gehen. Hilfe ist jetzt gefordert. Hinter all diesen Flüchtlingen steckt ein menschliches Drama. Wir vom Roten Kreuz sind ja nicht für die Politik zuständig. Wir müssen fordern, dass wir unter zumutbaren Zuständen unsere Hilfe leisten können. Die Provisorien, wo die Flüchtlinge in Zelten untergebracht werden, müssen weg. Wir brauchen dringend mehr sozialpsychiatrische Betreuung. Dafür muss auch mehr Geld eingesetzt werden. Die Menschen, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen, sind traumatisiert.
Wie können die ehrenamtlichen Helfer vor Ort unterstützt werden?
Zurzeit sind ungefähr 200 Ehrenamtliche des Roten Kreuzes aus ganz Bayern in den Erstaufnahmeeinrichtungen eingesetzt. Es muss die so genannte Retterfreistellung, ich nenne es jetzt mal Helferfreistellung, umstrukturiert werden. Im Katastrophenfall gibt es sie ja, wo Einsatzkräfte von ihrem Arbeitgeber frei gestellt werden. Bei der Hilfe für Kriegsflüchtlinge erstreckt sich die Hilfe außerdem nicht nur über zwei bis drei Tage, sondern über einen deutlich längeren Zeitraum. Unsere Aufgabe ist es einzig und allein, für diese traumatisierten Menschen ein Stück Alltag zu schaffen.
Wo sehen Sie Ansätze, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen?
Die demografische Herausforderung liegt auf dem Tisch. Wir brauchen mehr Pflegestufen. Der Pflegschlüssel muss deutlich verbessert werden. Der Pflegeberuf muss zum „Normalfall“ werden, ein Beruf wie jeder andere mit der entsprechenden Anerkennung. Es geht nicht, dass nur die Wohlfahrtsverbände Ausbildungsplätze anbieten, sondern auch private Einrichtungen, die sich nur der gut ausgebildeten Pflegekräfte bedienen. Ich habe schon seit Jahren gefordert, dass hier eine Art Ausbildungsabgabe bezahlt wird. Das halte ich für einen entscheidenden monetären Schritt. Weiterhin müssen wir dafür sorgen, dass auch die einjährige Pflegehelferausbildung attraktiver gemacht und finanziell anerkannt wird. Neu in Bayern ist, dass auch eine Teilzeitausbildung möglich ist, beispielsweise für Alleinerziehende. Was dieser Beruf für Möglichkeiten hat und wie erfüllend er sein kann, darüber wird meiner Meinung nach in den Medien nicht sehr viel berichtet, sondern nur über negative Einzelfälle.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen