Montag, 6. August 2018

Nathan der Weise auf der Clingenburg - hochaktuell und tiefgründig

Recha (Franziska Lißmeier) und ihr Vater Nathan (Joachim Henschke).
In der Jubiläumssaison 25 Jahre auf der Clingenburg ist das Programm der Clingenburg-Festspiele besonders vielfältig und von herausragender Qualität. Das Hauptstück, Leonard Bernsteins West-Side-Story ist fulminant inszeniert und besticht durch eine hinreißende Choreografie mit vielen beeindruckenden Tanzszenen und brillanten Vokalbeiträgen. Ein Klassiker wie Nathan der Weise bietet einen Kontrast zu dieser turbulenten Musicalaufführung. Aber er hat mit Bernsteins West-Side-Story gemeinsam, dass es um Toleranz und Mitmenschlichkeit geht. Wenn beides erfüllt wird, dann wären  fatale Entwicklungen - wie in der West-Side-Story - erst gar nicht eingetreten.

Daja (Ramona Schmid) versucht, ihre Überzeugungskraft anzubringen.

In Nathan der Weise, im Programm als »epochales Bühnenwerk« nach der Vorlage von Gotthold Ephraim Lessing beschrieben, werden Parallelen zur Gegenwart bewusst eingeflochten. Hier hat Marcel Krohn als Regisseur die aktuelle Tagespolitik in den Epilog von Suleika (Kumari Helbling) einfließen lassen. Sie prangert an, dass es immer nur um monetäre Interessen geht, der Mensch dabei keine Rolle spielt. Sie rüttelt auf, weist unter anderem auf die Kriege im arabischen Raum hin, wo die Bevölkerung hingemetzelt wird und viele aus Angst vor dem Tod fliehen, aber im Mittelmeer ertrinken.

Der junge Tempelherr (Alexander Ruttig) mit dem Patriarchen (Konrad Adams).
Bravourös ist die Darstellung des Nathan durch Joachim Henschke, der in allen Szenen überzeugt und klar macht, was dieses Lessingsche Toleranzdrama ausmacht: Die Vision vom Frieden aller Religionen. Für die Zuschauer auf der Freilichtbühne der Clingenburg ist dieses beeindruckende Schauspiel ein besonderes Erlebnis, zunächst von der Abendsonne beleuchtet. Wenn sie gesunken ist, wird das Bühnenbild von Scheinwerfern erleuchtet. Schön anzusehen sind auch die Kostüme, die von Isa Mehnert entworfen wurden. Der Aufforderung von Alexander Ruttig (Darsteller des Tempelherrn) nach der Aufführung sind wir (meine Tochter und ich) gerne nachgekommen und haben für die Jemenhilfe gespendet.

Sultan Saladin mit seinen Schwestern Suleika (Kumari Helbling) - links - und Sittah (Jasmin Alshaibani).

Kurzbeschreibung: 

Der jüdische Kaufmann Nathan kommt von einer Reise zurück und findet sein Haus abgebrannt. Ein christlicher Kreuzritter hat seiner Tochter Recha das Leben gerettet. Er selbst hat sein Leben einer Begnadigung durch Sultan Saladin zu verdanken. Dieser fragt Nathan nach der »wahren Religion«. Nathan, der zu Recht als weise bezeichnet wird, erzählt eine Parabel von einem Ring, in der Mitmenschlichkeit eine entscheidende Rolle spielt. Im Verlauf der Handlung werden verblüffende verwandtschaftliche Verhältnisse geklärt, die letztlich zu der klaren Erkenntnis führen: Religion spielt keine Rolle, allein die Menschlichkeit, der Respekt und die Toleranz vor dem Gegenüber.

Entspannung beim Gitarrenspiel des Derwischs (Ilya Sadykov).


Die Darsteller:
Nathan: Joachim Henschke
Sultan Saladin: Manuel Lopez
Daja: Ramona Schmid
Junger Tempelherr: Alexander Ruttig
Klosterbruder: Werner Wulz
Recha: Franziska Lißmeier
Sittah: Jasmin Alshaibani
Suleika: Kumari Helbling
Derwisch: Ilya Sadykov
Patriarch: Konrad Adams

Klosterbruder (Werner Wulz) im Gespräch mit dem jungen Tempelherrn.

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